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Gesellschaft und Wirtschaft

Massenpsychologie der Krise – Im Solidaritätsrausch

Überraschende Töne bei Deutschlandfunkkultur, wenngleich nur ein Gastbeitrag, aber immerhin. Wir empfehlen den jüngsten Audiobeitrag von Deutschlandfunkkultur des Philosophen und Kolumnisten der „Berliner Zeitung“ Michael Andrick. „Eine Krise kann im Guten wie im Bösen gewaltige Wirkung entfalten“ so seine Grundthese.

Wir zitieren ein Ausschnitt aus dem Audiobeitrag:

Bricht in dieser Lage eine Krise aus, so kann das im Guten wie im Bösen gewaltige Wirkung entfalten. Der belgische Psychologe Mattias Desmet hat dies als Massenformierung beschrieben: Man nehme eine Gruppe von Menschen, die stark von Vereinzelung, Sinnarmut, Angst und latenter Aggression betroffen ist. Dieser Gruppe verkünde man nun, dass eine Bedrohung eingetreten sei, deren Überwindung entschiedenes gemeinschaftliches Handeln erfordere. (…)

Sofort fühlen sich viele existenziell erleichtert und dankbar. Die Menschen werden ‚von einem gemeinsamen Narrativ ergriffen, das sie in einem heroischen Kampf gegen ein Objekt der Angst vereint, erklärt Desmet.

So wurde bei Kriegsausbruch in der Ukraine genau wie vorher in Sachen „Corona“ umgehend ein großes Wir mobilisiert, das dann in einen regelrechten Solidaritätsrausch geraten konnte. (…)

Mit Bezug auf Hannah Arendts Werk „Ursprünge und Elemente totalitärer Herrschaft“ zeigt Desmet, wie Massenformierung die Grundlage totalitärer Systeme werden kann. Die tief empfundene Erleichterung im Notstand war der Beginn schlimmer Albträume der Menschheitsgeschichte. Erwachen wir gerade aus einem solchen Albtraum?

Quelle: Deutschlandfunkkultur: https://www.deutschlandfunkkultur.de/massenpsychologie-solidaritaet-gemeinschaft-100.html