Das Lebensmotto einer der größten politischen Theoretikerinnen der Geschichte ist Vermächtnis und Aufruf zugleich.
Hannah Arendt ist vor fast einem halben Jahrhundert von uns gegangen. Niemand vor oder nach ihr hat totalitäre Systeme so präzise und unvoreingenommen analysiert und zugleich so hautnah miterlebt (1). Wir verdanken ihr die Aufforderung zum Nachdenken: über Eigenverantwortung, Zivilcourage, Gleichschaltung, Kollektivschuld und Gehorsam. Nach eigener Aussage war sie nie „an Wirkung“ interessiert. Sie wollte einfach nur verstehen (2). Dies ist auch der Grund, warum politische Ortsangaben wie „links“ oder „rechts“ in ihrem Denken und Werk nicht vorkommen. Denn zum Verstehen bedarf es des freien Geistes und Gedankens: ein „Denken ohne Geländer“, wie sie es nannte. Insbesondere wollte sie verstehen, warum Menschen in totalitärer Umgebung so handeln, wie sie handeln. Gerade in der heutigen Zeit, in der gewisse totalitäre Tendenzen ganz augenscheinlich hervortreten, hat sie nichts an Aktualität verloren.